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POLITIK/266: Impfstoffe für Afrika (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 16. Juni 2021
german-foreign-policy.com

Impfstoffe für Afrika

BioNTech will Impfstoffe im dramatisch unterversorgten Afrika produzieren - ab 2022. Konzerne aus China, Russland und den USA haben damit bereits begonnen.


BERLIN/MAINZ - Der Mainzer Pharmakonzern BioNTech plant die Expansion auf den afrikanischen Kontinent. Hintergrund sind Bestrebungen der Afrikanischen Union (AU), Covid-19-Impfstoffe in afrikanischen Staaten herstellen zu lassen und langfristig eine eigene Vakzinproduktion aufzubauen. BioNTech gibt das Vorhaben bekannt, nachdem die EU Ende Mai angekündigt hat, die Errichtung von Impfstofffabriken in ausgewählten Ländern Afrikas mit bis zu einer Milliarde Euro zu unterstützen. Allerdings nimmt BioNTech erste Abfüllvorgänge in Afrika nicht vor Mitte 2022, die Komplettproduktion frühestens 2025 in den Blick. Andere Konzerne haben längst mit dem Aufbau einer Vakzinherstellung in Afrika begonnen - beispielsweise Sinovac (Beijing) in Ägypten, das Gamaleya-Institut (Moskau, Sputnik V) in Algerien, Johnson & Johnson (USA) in Südafrika. Mit Blick auf den dramatischen Impfstoffmangel in Afrika ist der Beschluss der G7, bis inklusive 2022 nur 870 Millionen Impfdosen an Entwicklungsländer zu liefern, als "unverzeihliches Versagen" angeprangert worden. Afrikas wichtigster Vakzinlieferant ist zur Zeit China.

Dramatischer Impfstoffmangel

Der afrikanische Kontinent leidet unverändert an einem dramatischen Mangel an Covid-19-Impfstoffen. Während weltweit mittlerweile rund 2,4 Milliarden Impfdosen verabreicht wurden, waren es in 50 der 55 afrikanischen Staaten alles in allem nur 36 Millionen Dosen, kaum mehr als die täglich knapp 33 Millionen Dosen, die inzwischen weltweit gespritzt werden. In fünf Ländern Afrikas konnten bisher noch überhaupt keine Impfungen vorgenommen werden. Wie die WHO konstatiert, werden 47 afrikanische Staaten voraussichtlich das Etappenziel verfehlen, bis September wenigstens zehn Prozent ihrer Bevölkerung zu impfen. Von den 53,3 Millionen Dosen, die inzwischen auf dem Kontinent angekommen sind, wurden 22,2 Millionen über die internationale Covax-Initiative geliefert, die allerdings von gravierendem Mangel bedroht ist, seit das Serum Institute of India (SII) seinen AstraZeneca-Impfstoff ausschließlich für die indische Impfkampagne produziert. Nach der Notfallzulassung zweier seiner Vakzine durch die WHO hat nun aber China begonnen, Covax zu versorgen. Die Volksrepublik hat darüber hinaus laut Branchenberichten bislang rund 20 Millionen Impfdosen in 33 afrikanische Länder geliefert; 6,4 Millionen Dosen wurden gespendet.

"Ein unverzeihliches Versagen"

Vor dem Hintergrund des dramatischen Mangels insbesondere in Afrika ist die Ankündigung der führenden westlichen Industriestaaten (G7) vom Wochenende, bis 2022 870 Millionen Impfdosen für Entwicklungsländer bereitzustellen, auf herbe Kritik gestoßen. Die USA haben die Lieferung von 500 Millionen Dosen zugesagt; allerdings verwenden sie dafür Geld, das sie ursprünglich Covax versprochen hatten.[1] Großbritannien will 100 Millionen Dosen liefern; Deutschland hat bisher 30 Millionen fest zugesagt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim G7-Gipfel insgesamt 2,3 Milliarden Dosen in Aussicht gestellt, davon 350 Millionen aus der Bundesrepublik; doch ist völlig unklar, welchen realen Gehalt ihr Versprechen hat. Mit Blick auf die Tatsache, dass laut Angaben der WHO allein innerhalb der nächsten drei Monate 225 Millionen Dosen nötig wären, um lediglich zehn Prozent der Bevölkerungen der Staaten Afrikas zu impfen [2], hat WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Wochenende konstatiert: "Wir brauchen mehr, und wir brauchen sie [die Dosen] schneller."[3] Der ehemalige britische Premierminister Gordon Brown nannte das magere G7-Angebot mit Blick auf das Massensterben in der Pandemie "ein unverzeihliches moralisches Versagen".[4]

Produktionsstandorte in Afrika

In der klaren Erkenntnis, nicht auf ausreichende Lieferungen aus dem Westen setzen zu können, haben die Staats- und Regierungschefs der Afrikanischen Union (AU) im April angekündigt, eine eigene Impfstoffproduktion aufzubauen - bezogen nicht nur auf Covid-19-Vakzine, sondern auf sämtliche Vakzine überhaupt. Heute wird lediglich ein Prozent von ihnen in Afrika hergestellt; im Jahr 2040 soll der Anteil laut den Plänen der AU auf 60 Prozent gestiegen sein. Dafür sollen, verteilt auf Nord-, Süd-, West-, Ost- und Zentralafrika; fünf Forschungs- und Produktionszentren geschaffen werden; als Standorte sind gegenwärtig Südafrika, Senegal, Marokko, Ägypten und Ruanda im Gespräch. Die EU, unter Druck geraten, weil sich international vor allem noch Berlin und Brüssel der Forderung nach einer zumindest zeitweiligen Freigabe der Impfstoffpatente verweigern, hat im Mai in Aussicht gestellt, den Aufbau einer afrikanischen Impfstoffproduktion mit bis zu einer Milliarde Euro zu unterstützen - bereitgestellt aus dem EU-Etat oder durch die europäische Entwicklungsbank EIB (European Investment Bank).[5] Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat zusätzlich einen Beitrag von 50 Millionen Euro aus Deutschland zugesagt.[6] BioNTechs globale Präsenz

Wie in der vergangenen Woche berichtet wurde, zieht nun der deutsche BioNTech-Konzern eine Expansion auf den afrikanischen Kontinent in Betracht. Das Unternehmen, das mit seinem Covid-19-Vakzin allein im ersten Quartal 2021 einen Gewinn von 1,13 Milliarden Euro erzielen konnte [7], errichtet gemeinsam mit dem chinesischen Pharmakonzern Fosun eine Impfstofffabrik in Shanghai, von der aus der lukrative chinesische Markt bedient werden soll. Die Vakzinfabrikation soll bereits im August gestartet werden. BioNTech-Chef Ugur Sahin hat zudem den Aufbau einer Produktionsstätte in Singapur angekündigt, um von dort aus Südostasien sowie die weitere Asien-Pazifik-Region zu beliefern: Das Projekt sei "ein wichtiger strategischer Schritt für den Ausbau unserer globalen Präsenz", wird Sahin zitiert.[8] Nun kündigt der BioNTech-Chef darüber hinaus die Schaffung eines oder mehrerer Impfstoffwerke in Afrika an. In zwölf Monaten wolle man dort mit dem Abfüllen des Vakzins beginnen; der Aufbau der vollständigen Produktionskette werde vermutlich bis zu vier Jahre dauern.[9] Für den Kampf gegen die Covid-19-Pandemie wäre das zu spät. Allerdings gehen Experten davon aus, dass der afrikanische Impfstoffmarkt rasant wächst - von aktuell 1,3 Milliarden US-Dollar auf 5,4 Milliarden im Jahr 2030.

Im Kampf gegen die Pandemie

Einen Beitrag zum aktuellen Kampf gegen die Pandemie mit dem Aufbau einer afrikanischen Covid-19-Impfstoffproduktion leisten freilich andere. Schon jetzt unterstützt Sinovac (Beijing) den ägyptischen Impfstoffhersteller Vacsera (Kairo) beim Aufbau des Produktionsprozesses für sein Covid-19-Vakzin: Ende Mai wurden die ersten Volumina geliefert, die jetzt von Vacsera abgefüllt werden; in einem zweiten Schritt wird das ägyptische Unternehmen in die Gesamtherstellung einsteigen.[10] Derselbe Vorgang ist mit dem Sputnik V-Vakzin des Gamaleya-Instituts (Moskau) geplant. Sputnik V soll ab September auch in Algerien produziert werden.[11] Sinopharm (Shanghai) wiederum hat Marokko den Aufbau eines Impfstoffwerks zugesagt.[12] Darüber hinaus hat im südafrikanischen Gqeberha (vormals Port Elizabeth) Aspen Pharmacare mit dem Abfüllen des Vakzins von Johnson & Johnson (New Brunswick, US-Bundesstaat New Jersey) begonnen. Ob daraus auch eine umfassende Lizenzproduktion entstehen wird, scheint noch nicht ganz klar.[13] Als erster Hersteller aus der EU hat Univercells (Charleroi, Belgien) in Kooperation mit dem Institut Pasteur de Dakar (Senegal) den Aufbau einer Impfstofffabrikation in Afrika angekündigt. Begonnen werden soll Mitte 2022; welches Vakzin hergestellt wird, ist noch ungewiss.[14]


Anmerkungen:

[1] Patsy Widakuswara: Biden Says US Will Donate 500 Million COVID Vaccines to World. voanews.com 10.06.2021.

[2] Nine in 10 African countries set to miss urgent COVID-19 vaccination goal. afro.who.int 10.06.2021.

[3] Coronavirus outpacing vaccine effort, says WHO, after G7 doses pledge. theguardian.com 15.06.2021.

[4] Gordon Brown: Despite the grand words, this G7 falls devastatingly short on vaccines. theguardian.com 14.06.2021.

[5] EUR1 billion Team Europe initiative on manufacturing and access to vaccines, medicines and health technologies in Africa. ec.europa.eu 21.05.2021.

[6] Südafrika: Deutsche Finanzhilfe für Impfstoffproduktion.
sueddeutsche.de 28.05.2021.

[7] S. dazu Die Pandemie als Chance.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8595/

[8] S. dazu Die Welt impfen (III).
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8619/

[9] Erika Solomon, Sam Fleming: BioNTech prepares expansion into Africa alongside EU. ft.com 10.06.2021.

[10] Uwagbale Edward-Ekpu: Egypt joins the race to produce critically-needed Covid-19 vaccines for Africa. qz.com 11.06.2021.

[11] Algeria will start producing Russia's Sputnik V COVID-19 vaccine in September. english.alarabiya.net 08.04.2021.

[12] Morocco's Covid response 'an example to emulate'.
newafricanmagazine.com 08.04.2021.

[13] Uwagbale Edward-Ekpu: Egypt joins the race to produce critically-needed Covid-19 vaccines for Africa. qz.com 11.06.2021.

[14] Univercells va installer des centres de production au Sénégal. lecho.be 13.04.2021.

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
E-Mail: info@german-foreign-policy.com

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 13. Juli 2021

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